Gedächtnisprotokoll "Funktionentheorie 1" (Kurs 1340)
Kurs: 1340
Datum: 20.5.2003
Prüfer: Prof. Duma
Beisitzer:
Note: 2,0
Dauer: ca. 25 min
Die Fragen:
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Was ist der wichtigste Begriff der Funktionentheorie?
Meine erste Antwort war "Das Integral", worauf Prof. Duma sagte, das sei
zwar auch ein sehr wichtiger, er suche aber einen anderen. Anlauf 2 von
mir war "Differenzierbarkeit", er fragte "genauer?" oder so nach, worauf
ich "komplexe Differenzierbarkeit" sagte, was dann das war, was er wollte.
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Wie ist komplexe Differenzierbarkeit definiert?
Ich habe zunächst die formale Definition hingeschrieben, er hakte
noch bei der Eindeutigkeit der Ableitung nach und ich habe die Ableitungen
nach Real- und Imaginärteil, die Cauchy-Riemannschen Differentialformeln
und die Berechnung der komplexen Ableitung aus den reellen hingeschrieben.
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Dann hat er nachgefragt, was dann noch gilt. Ich habe die reelle Differenzierbarkeit
und die Wirtingerformeln hingeschrieben, mit der Zusatzerläuterung,
wie das bei geltenden CR-Gleichungen aussieht und daß das z. T. das
Gleiche ist wie die zuvor beschriebene Berechnung der komplexen Ableitung
aus den reellen.
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Wie geht die Cauchy-Riemannsche Integralformel?
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Was gilt dann? Hier wollte er auf die Entwickelbarkeit der komplex differenzierbaren
Funktionen in eine Potenzreihe hinaus. Ich habe dann gesagt, daß
das gilt, weil der Cauchy-Kern in eine geometrische Reihe entwickelbar
ist, die Formel hingeschrieben und gesagt, daß ich das dann in die
Integralformel einsetzen und entsprechend umformen muß.
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Dann hat er nachgefragt, wie Potenzreihen abgeleitet werden. Elementweise.
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Wie ist der Konvergenzradius der abgeleiteten Potenzreihe? Da hat er mich
kurzfristig auf dem falschen Fuß erwischt, ich habe dann "den gleichen,
alles andere wäre viel zu unschön" oder so geantwortet.
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Ja, und wie zeigt man das? Ganz tiefes Luftholen meinerseits, dann habe
ich gesagt, "mit der Formel von Hadamard" und mir die Potenzreihe, die
angeleitete Potenzreihe aufgeschrieben und versucht, den Hadamard anzusetzen.
Der Beisitzer griff ein (das erste und wohl auch letzte Mal in meiner Fernuni-Zeit,
in der ich das erleben durfte), sagte: "Ja, da haben sie es ja schon fast",
und dann ahben wir uns noch zu dritt ein wenig mit den verschobenen Indizes
geärgert, bis mir Prof. Duma aufschrieb, wie ich den lim sup der n-ten
Wurzeln der abgeleiteten Potenzreihe so abschätze, daß da das
gleiche steht wie bei der Ausgangsreihe.
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Ich habe dann von mir aus noch eingeschoben, daß die Partialsummen
der Potenzreihe kompakt gegen die holomorphe Funktion konvergieren, die
in sie entwickelt wurde, die Partialsummen alle Polynome sind und deshalb
komplex differenzierbar, daß sich das im Komplexen nach dem Weierstraßschen
Konvergenzsatz auf die Grenzfunktion überträgt und man so aus
der einmaligen Ableitbarkeit die unendlich häufige bekommt.
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Dann hat er mich nach harmonischen Funktionen und Potentialgleichungen
gefragt und mich nahezu völlig blank erwischt, ich stammelte noch
was von "mehrfach ableiten, dann wird das gleich" raus, aber eigentlich
hatte ich das beim Lernen völlig ausgelassen.
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Was besagt der Residuensatz? Ich habe ihn aufgeschrieben, dazu eine Skizze,
bei der ich irgendeine Funktion um ein paar Singularitäten ein- oder
zweimal integriere, und die Anmerkung, daß das Residuum der -1te
Koeffizient der Laurentreihe ist.
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Welche Anwendungen gibt es dazu? Einfache Berechnung von einzelnen komplexen
Integralen, wenn man die Residuen der Singularitäten im Innern kennt,
Bestimmung von uneigentlichen Integralen bestimmer rationaler Funktionen
im Reellen, wobei ich bei der Frage, wie das genau geht, völlig passen
mußte.
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Welche Nebenbedingungen muß die Funktion erfüllen? Auf dem Integrationsweg
nullstellenfrei, wußte ich auch nicht.
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Beweisen sie den Fundamentalsatz der Algebra mit Mitteln der Funktionentheorie!
Ich habe zuerst eine grobe Abschätzung aufgeschrieben, daß nichtkonstante
Polynome wachsendem Betrag des Argumentes irgendwann im Funktionswert betragsmäßig
gegen unendlich wachsen, dazu erläutert, daß das daran liegt,
daß das Glied mit dem höchsten Grad irgendwann alle anderen
erdrückt und ich den Rest mit so einem 1 - epsilon abschätzen
kann. Dann habe ich den Satz von Lieuville genommen und wie im Kurs den
Beweis gezeigt.
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Wie ist der sinus im Komplexen definiert? (O-Ton von mir: Mit der Frage
habe ich ja nun überhaupt nicht gerechnet, aber das kriegen wir auch
noch hin), habe erst die Potenzreihe von exp aufgeschrieben und dann die
vom sinus zusammengestellt. Ich vermute im Nachhinein, daß er lieber
die Definition vom sinus duch exp gesehen hätte, aber er hat die Antwort
so gelten lassen und nicht noch nach anderen Möglichkeiten gefragt.
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Einwurf des Professors: Der sinus hat doch Werte nur zwischen -1 und 1,
dann ist doch der Satz von Lieuville falsch. Antwort: Im Reellen gilt der
Satz von Lieuville nicht, im komplexen ist sinus unbeschränkt, er
geht auf der Imaginärachse gegen unendlich. Damit dann Ende der Prüfung.
Der Eindruck:
Gut. Die allererste Frage, die mir Prof. Duma stellte, war übrigens
"Wie fanden sie den Kurs?", worauf ich erst mal verlegen geguckt und dann
laut losgelacht habe. Der Beisitzer meinte dann, das sei noch keine Prüfungsfrage,
worauf ich schließlich mit "Schwer. Ziemlich umfangreich" und ich
weiß nicht mehr was danach noch geantwortet habe. Vor der Prüfung
hat der Beisitzer noch kurz angemerkt, daß das ganze eine Nebenfachprüfung
ist. Ich kann nicht beurteilen, ob und wie sich das auf die Prüfung
auswirkt, vermute aber, daß es die Vergleiche zur reellen Analysis
reduziert hat.
In der Prüfung stellt er die Fragen recht unterschiedlich konkret.
Ich hatte mir vorgenommen, zu einem Stichwort möglichst viel zu antworten,
was sicherlich keine verkehrte Strategie ist, ich allerdings nur sehr teilweise
befolgen konnte. Wichtig sind ihm offensichtlich und wenig überraschenderweise
die Zusammenhänge zumindest zwischen den zentralen Elementen des Kurses,
was dann zu so schrecklich offenen Fragen "Was folgt daraus?" führt.
Die Gesamtstimmung war in der Prüfung gut. Ich bin vor und meistens
während einer Orüfung ein einziges flatterndes Nervenbündel,
als er mich nach den Potentialfunktionen fragte, dachte ich "Jetzt versucht
er doch allen Ernstes, mich auf 1 zu prüfen, das wird doch nichts"
und nicht etwa "Oh nein, jetzt fällst Du bestimmt gerade durch". Ich
war einige Male selbst von mir überrascht, daß ich zu Fragen,
von denen ich selbst geglaubt hätte, daß ich nix dazu weiß,
noch halbwegs passable antworten gegeben habe.
Nach der Prüfung habe ich Prof. Duma noch kurz darauf angesprochen,
daß er ja gar nicht den Beweis zum Cauchyschen Integralsatz gefragt
habe, obwohl doch Dr. Garske (der gerade gegenüber saß) auf
dem Studientag den ganz heißen Tipp gegeben habe, den zu lernen.
Er antwortete, daß stimme, den frage er fast immer, aber er könne
ja auch nicht jedesmal das Geiche fragen.
Die Note ist ziemlich das obere Ende dessen, was ich vor der Prüfung
erwartet habe. Wenn ich sehr viel Glück mit den Fragen gehabt hätte,
hätte es noch etwas besser aussehen können, aber da ich weiß,
daß ich auch eine Menge Lücken in dem Stoff habe, hätte
es auch deutlich schlechter laufen können.
Fazit:
Ich finde, der Kurs hat es ziemlich in sich (ohne die Studientage hätte
ich mich nicht zur Prüfung getraut), aber wer den Kurs in den wesentlichen
Grundzügen drauf hat, kann sich da anscheinen ruhig hintrauen.